"Wir wollten nicht alleine glücklich sein"
Für ihr knapp 40-jähriges ehrenamtliches Engagement zugunsten von Flüchtlingen sind Christel und Rupert Neudeck mit dem Erich-Fromm-Preis ausgezeichnet worden. Die Laudatio hielt Altbundestagspräsident Wolfgang Thierse.
Bei der Feier im Stuttgarter Neuen Schloss sagte Thierse, er habe die Gründer von Cap Anamur und der Organisation Grünhelme für die Radikalität ihres Lebens und ihr Prinzip Hoffnung immer "beneidet und bestaunt". Mit der Interview-Überschrift "Wir wollten nicht alleine glücklich sein" könne auch das ganze Leben des Ehepaars beschrieben werden. Der SPD-Politiker gratulierte der Jury, die als erste nicht nur Rupert Neudeck, sondern beiden Ehepartnern einen Preis zuerkenne.
Neudecks beteiligt am "freundlichen Gesicht" Deutschlands
Thierse ging in seiner Ansprache auf die Flüchtlingsdiskussion ein und betonte, viele Menschen wollten auch wegen eines Images der Menschlichkeit in der Bundesrepublik leben. Zum "freundlichen Gesicht", das sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten international erworben habe, hätten Neudecks ihren Teil beigetragen.
Von deren "Unbedingtheit" könnten alle lernen. Fundament ihres humanitären Engagements sei der christliche Glauben mit seinen "verpflichtenden radikalen Konsequenzen", so Thierse, der mit Ruppert Neudeck schon lange vor dem Fall der Mauer 1989 befreundet war.
"Cap Anamur" und Grünhelme
Der gebürtige Danziger Neudeck und seine Frau hatten 1979 mit dem Schriftsteller Heinrich Böll das Komitee "Ein Schiff für Vietnam" gegründet, aus dem 1982 das Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte hervorging. Zwischen 1979 und 1982 holte die Organisation mit dem Frachter "Cap Anamur" vor der Küste Vietnams mehr als 11.000 sogenannte "boat people" aus dem Wasser. Ohne die tatkräftige und ideenreiche Unterstützung Christel Neudecks seien die Hilfsprojekte nicht möglich gewesen, so die Fromm-Gesellschaft. Die Auszeichnung soll daran erinnern, dass Migration ebenso wie Geburt, Fortpflanzung, Krankheit und Tod zur Natur des Menschen gehöre und gleichzeitig im Sinne Fromms "jeder Mensch ein Bedürfnis nach Verwurzelung" habe.
Der Theologe Neudeck promovierte über "Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus" und arbeitete bei der Funk-Korrespondenz und beim Deutschlandfunk. Geehrt wurde er unter anderem auch mit der Theodor-Heuss-Medaille, der Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis, dem Erich-Kästner-Preis und dem Walter-Dirks-Preis. Der Erich-Fromm-Preis wird seit 1995 jährlich von der gleichnamigen Internationalen Gesellschaft verliehen und ist mit 10.000 Euro verbunden.
Wolfgang Thierse (l.) mit Christel und Rupert Neudeck (Photo DPA)
Zu den Preisträgern gehören die Journalisten Hans Leyendecker und Heribert Prantl, der Theologe Eugen Drewermann, der Liedermacher Konstantin Wecker, die Geigerin Anne-Sophie Mutter, die Politologin Gesine Schwan und Jakob von Uexküll, der den alternativen Nobelpreis stiftete. Erich Fromm gilt als wichtiger Denker des 20. Jahrhunderts.
Wissenschaftlich bedeutsam ist sein Beitrag für die empirische Sozialpsychologie. Er beeinflusste maßgeblich die Entstehung der Frankfurter Schule. Bestseller wurden seine Bücher "Die Kunst des Liebens" und "Haben oder Sein".
(KNA)
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